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Audiobeitrag: RWE strukturiert die Jugendarbeit neu

Warum schafft Rot-Weiss Essen seine U23 Mannschaft ab?
Rot-Weiss Essen hat sich schon vor der Insolvenz und vor allem danach auf die Fahne geschrieben, junge Fußballer zu entwickeln. Mit relativ geringem Mitteleinsatz gelingt es, die Jugendmannschaften nahezu ausschließlich in den Top-Ligen zu halten oder nach einem Abstieg – mit dem aufgrund der Wettbewerbssituation in unserem speziellen Fall immer zu rechnen ist – wieder auf das höchste Niveau zu bringen. Als momentaner Regionalligist gibt es nur wenige Vereine, die eine solche Qualität in der Jugendarbeit vorweisen können.

Uwe Loch sprach mit:
Dr. Michael Wlling


Andy Winkler



Im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der U23-Mannschaft gibt es vereinsintern schon länger Diskussionen, ob eine U23 für die Talententwicklung grundsätzlich und insbesondere in der speziellen Situation von Rot-Weiss Essen notwendig ist. Nachdem die entsprechenden Rahmenbedingungen, wonach die Existenz einer U23-Mannschaft für die Lizenzerteilung nicht mehr zwingende Notwendigkeit ist, geändert wurden, wurde die Diskussion wieder intensiviert. Anhand der für die strategische Ausrichtung des Vereins Rot-Weiss Essen und der grundsätzlichen Ausrichtung der Ausbildungsphilosophie relevanten Fragen hat sich der Verein dazu entschlossen, die U23 für die nächste Saison vom Spielbetrieb abzumelden.

Die Ausbildung von jungen Spielern bleibt im Fokus von RWE
In einer harten regionalen Wettbewerbssituation will der Verein allerdings eigene Wege gehen, die sich von den Herangehensweisen der Wettbewerber inhaltlich, d.h. mit Blick auf den Ausbildungsfokus unterscheiden. Als klassentieferer Verein (unter regionalen Wettbewerbern wie dem BVB, S04, Bayer 04 Leverkusen, VfL Bochum 1848 etc.) hat RWE auf Sicht keine Chance, rein finanziell mit den Wettbewerbern mitzuhalten. Entsprechend muss Rot-Weiss Essen abseits des finanziellen Aspekts attraktiv für junge Talente aufstellen. Diesbezüglich rückt die Neustrukturierung der Jugendarbeit vereinseigenen „HafenSTRASSENfußball“ in den Fokus: den besonderen rot-weissen Weg. Der besondere Fokus der rot-weissen Talentförderung liegt dabei neben der fußballerischen Ausbildung auch die persönliche sowie schulische und berufliche Entwicklung. 

Zudem liegt ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser Neufokussierung in der Verzahnung zwischen der 1. Mannschaft und dem Nachwuchsbereich. Damit wird der – für nahezu alle Fußballer schwierige – Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich mit einem besonderen Stellenwert bedacht und individuell gestaltet.

Wie soll der Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich gestaltet sein?
Der Übergang zwischen Jugend und Senioren soll möglichst individuell gestaltet werden, denn die Entwicklungsverläufe der Nachwuchsspieler sind höchst heterogen. Dazu bedarf es im Trainer- und Betreuerteam sowie in der gesamten sportlichen Leitung den entsprechenden regelmäßigen Austausch über die individuellen Entwicklungsverläufe und -prognosen der Spieler. Ebenso bedarf es der engen Anbindung der U-Mannschaften an die Seniorenmannschaft und damit den regelmäßigen Austausch zwischen den Mannschaften und den Verantwortlichen sowie schließlich expliziter Ansprechpartner für die Spieler die die individuelle Entwicklung der Jugendspieler jenseits des Erfolgsgedankens beurteilen und bewerten können.  Die Rauslösung der Übergangsverantwortlichkeit aus dem mannschaftlichen Ergebnisdenken ist ein entsprechend wichtiger Baustein.  

Hierfür wird Rot-Weiss Essen daher das individuelle und positionsbezogene Fördertraining intensivieren und entsprechende Förderspiele realisieren, in denen U17, U19 und Seniorenspieler zum Einsatz kommen. Für die U-Spieler wird so die Gelegenheit geboten, sich frühzeitig mit körperlich reiferen Spielern zu messen und das höhere Tempo zu erleben. Frühzeitig sollen auch Spieler aus der U19 und wo möglich aus der U17 Mannschaft am Trainingsbetrieb der 1. Mannschaft teilnehmen, wobei die schulischen und beruflichen Ausbildungsziele sowie die individuelle Belastbarkeit Berücksichtigung finden werden.

 

Bedarf es für den Übergang vom Jugend- in den Seniorenbereich einer U23- oder einer U21-Mannschaft?
Mit Blick auf die Entwicklungsverläufe der Spieler, der Gestaltung der Übergänge und der Ausbildungsentwicklung im (deutschen) Fußball insgesamt ist es für diesen Weg nicht notwendig, eine U23 oder U21 Mannschaft zu melden. Der Übergang von den höchsten Jugendspielklassen, insbesondere den Jugendbundesligen, auf das Regionalliga- oder 3. Liganiveau gelingt den Nachwuchsspielern immer schneller, deren Entwicklungsverläufe später ein entsprechendes Niveau oder höheres Niveau prognostizieren lassen. Insbesondere der Übergang von der U19-Bundesliga zur Regionalliga ist spieltaktisch und fußballerisch nahezu ebenengleich und unterscheidet sich hauptsächlich durch die körperlichen Entwicklungsstand der Spieler.

Warum orientiert sich RWE nicht an anderen Vereinen, denn bislang ist RWE einer der wenigen Vereine, der diesen Weg geht?
Rot-Weiss Essen beschäftigt sich seit Jahren durchgehend mit der Verbesserung der eigenen Jugendarbeit. Diesbezüglich stand die U23 bereits lange im Fokus der Diskussion. Mit der seit Februar/März bestehenden neuen Regelung hat sich für Rot-Weiss Essen eine neue Ausgangssituation ergeben, die die Umsetzung zuvor lediglich auf dem Papier und in Gedanken existenter Verbesserungen der Talentförderung ermöglicht.

Das ist der Weg, von dem Rot-Weiss Essen überzeugt ist und der für die aktuelle Situation und Konstellation des Vereins mit seiner starken Jugendarbeit ein sinnvoller Schritt im Puncto Talentförderung darstellt. Dabei orientiert sich RWE nicht an anderen Vereinen, sondern möchte einen eigenen Weg gehen, der entsprechend die eigenen Verhältnisse und Rahmenbedingungen berücksichtigt und nicht mit den Bedingungen anderer Vereine zu vergleichen ist.

Wodurch unterscheiden sich die Rahmenbedingungen von Rot-Weiss Essen und anderen Vereinen?
Gerade durch die Tatsache, dass die U23-Mannschaft lediglich eine Spielklasse unter der 1. Seniorenmannschaft spielt, ergibt sich für Rot-Weiss Essen eine andere Beurteilung als für die Mannschaften mit Teilnahme am Spielbetrieb der 1. und 2. Bundesliga, deren U-23 oder U-21 Mannschaften mit zwei Ausnahmen (BVB und Stuttgart) ebenfalls auf Regionalliganiveau oder darunter spielen. Aufgrund der unterschiedlichen Spielklassenzugehörigkeit sind die entsprechenden zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel ebenfalls unterschiedlich. So wenden beispielswiese die meisten Bundesligisten bereits für ihre U19 und U17 Mannschaften mehr Geld auf, als Rot-Weiss Essen für die Regionalliga-Mannschaft. Entsprechend muss Rot-Weiss Essen andere Wege gehen, als die Wettbewerber aus der 1. und 2. Liga.

Wird durch die Abschaffung der U23 die Jugendarbeit geschwächt und das Nachwuchsleistungszentrum dadurch obsolet?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Abschaffung der U23 ermöglicht es dem Verein, im Jugendbereich noch intensiver zu fördern und auszubilden. Spieler können spezifischer gefördert und individuell angemessen gefordert werden. Fördertrainingseinheiten und -spiele mit Spielern der U17, U19 und 1. Mannschaft garantieren eine enge Verzahnung und zudem enge Bindung der Jugendspieler an den Verein. Ziel bleibt es, möglichst viele eigene Jugendspieler in die 1. Mannschaft zu integrieren. Der Sprung in die 1. Mannschaft wird dementsprechend nicht größer, sondern durch die enge Verzahnung, das Fördertraining und die Förderspiele verkleinert, da diese Maßnahmen im Hinblick auf die Perspektive der Spieler für die 1. Mannschaft – über die Grenzen einer U23 - eine noch intensivere Begutachtung und damit auch Betreuung gewährleistet. 

Schließlich kann Rot-Weiss Essen durch die Anerkennung als Nachwuchsleistungszentrum erstmals auch entsprechende Förderverträge mit Spielern der U17 und darunter schließen und diese Spieler entsprechend frühzeitig und längerfristig an den Verein binden. Bislang war es Rot-Weiss Essen nicht möglich, z.B. talentierten U15 Spielern frühzeitig eine entsprechende Perspektive aufzuzeigen und dies vertraglich auch zuzusichern. Durch die Etablierung des Nachwuchsleistungszentrums kann so eine Re-Fokussierung auf jüngere Jahrgänge erfolgen, die bislang nicht realisierbar war. 

Verliert RWE dadurch Talente, die den direkten Sprung in die 1. Mannschaft nicht schaffen?
Die Talente, die auf dem Sprung zu den Senioren stehen, diesen aber nicht im ersten Anlauf schaffen, bleiben eng an den Verein gebunden. RWE ist aktuell zwecks Kooperation in fortgeschrittenen Gesprächen mit potentiellen Kooperationsvereinen. Dort sollen betreffende Spieler Spielpraxis auf Oberliga-/Regionalliganiveau sammeln und sich so im Seniorenbereich etablieren. Während dieser Zeit werden die Spieler in regelmäßigen und intensiven Fördermaßnahmen in Abstimmung mit dem Kooperationsverein weiter von Rot-Weiss Essen betreut und ausgebildet, d.h. sie nehmen – wie die geeignete Spieler des Kooperationsvereins auch – an den regelmäßigen Fördermaßnahmen teil. Diese Fördermaßnahmen umfassen sowohl Trainingseinheiten als auch Testspiele und beinhalten neben den beim Kooperationsverein Spielpraxis sammelnden Spielern auch Nachwuchsakteure der U17 und U19 Mannschaft sowie Spieler der 1. Seniorenmannschaft von Rot-Weiss Essen. Diese Fördermaßnahmen sind dabei expliziter Bestandteil der Kooperationsverträge und werden entsprechend expliziter Bestandteil der Leihverträge mit den Spielern.

Wo holen sich die Rekonvaleszenten Spielpraxis? 
Auch die Rekonvaleszenten werden in den Fördermaßnahmen zum Einsatz kommen und dort Trainings- und Wettkampfpraxis auf hohem Niveau sammeln.

Inwiefern ist der Sprung - bei einem Abstieg der U19 - von der Junioren-Regionalliga in die Senioren-Regionalliga noch zu schaffen?
Natürlich ist es für den Verein und insbesondere die Jugendabteilung extrem wichtig, in den Jugendmannschaften in den höchstmöglichen Klassen zu spielen. Die getroffene Entscheidung und damit die gewählte Strategie sind aber von größerer Bedeutung. Ein kurzfristiger Abstieg der U19 wird diese Strategie des Vereins zur Jugendförderung nicht umwerfen, durch den stärkeren Fokus auf die U19 und U17 Spieler wird ein möglicher Abstieg der U19 Mannschaft sich vielmehr in der Konsequenz weniger nachteilig auswirken als in der Situation, mit einer U23 Mannschaft, da so die Mittel stärker auf einen sofortigen Wiederaufstieg bei gleichzeitiger individueller Entwicklung der Spieler fokussiert werden können. Ziel der Jugendspieler in dieser Altersklasse ist der Seniorenbereich, zu dem wir durch die getroffenen Maßnahmen eine enge Verzahnung herstellen. Dementsprechend bleibt RWE für betreffende Jugendspieler attraktiv.

 

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